Was macht eine gute Pferdeweide eigentlich aus und wie viel braucht man davon? Ist eine Weide nicht einfach ein Stück Land mit einem Zaun drumrum?
Ganz so einfach ist es nicht. Pferde in freier Wildbahn nutzen bei normalem Bewuchs eine Fläche von ca 50 Hektar pro Pferd, bei üppigem Bewuchs sind es auch mal 10 Hektar pro Pferd. Will man sein Pferd natürlich ernähren, dann ist ein Hektar pro Pferd ein guter Anfang, wobei bei dieser Flächengröße bereits Weidemanagement betrieben werden muss. So sagt es jedenfalls Marc Lubetzki in seinem Online-Themenabend „Die Speisekarte der Pferde“. In der Landwirtschaft rechnet man ebenfalls mit einem Hektar Fläche pro Pferd, um das Pferd ganzjährig zu ernähren. Allerdings sind so große Flächen in der Pferdehaltung eher selten, zumindest in Ballungsräumen wird man das kaum finden. Deshalb wird zumeist Heu zugefüttert, das von Flächen stammt, die nicht für die Pferde gut erreichbar und eingezäunt sein müssen. Wir haben für 18 Pferde insgesamt 6 Hektar Weideland zu Verfügung, das heißt 1/3 Hektar pro Pferd. Außerdem füttern wir ganzjährig Heu, so dass wir mit der Größe unserer Weiden gewährleisten können, dass die Pferde in der Weidesaion täglich 8 bis 12 Stunden auf den Weiden sein können, davon tatsächlich satt werden und sich gut und gesund ernähren.
Dann gehen wir mal durchs Jahr: im Februar und März ruhen unsere Weiden, die Pferde sind auf den Winterstücken. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir ruhen. Im Frühjahr werden alle Weiden mit einem Wiesenstriegel gepflegt. Die vielen Zinken des Wiesenstriegels ritzen den Boden oberflächlich an, so dass Licht und Luft an das keimende Gras kommt. Außerdem entfernen sie Moos und glätten die von Wildschweinen und Maulwürfen aufgeworfene Erde. Gleichzeitig sichten wir die Wiesen auf kahle Stellen und Giftpflanzen.

Im nächsten Schritt düngen wir unsere Weiden. Warum düngen wir unsere Weiden? Ist die ideale Pferdeweide nicht mager und ungedüngt? Pflanzen brauchen immer vier Dinge für Wachstum: Licht, Wärme, Wasser und Nährstoffe. Fehlt eine der vier Komponenten, gerät das Gras in Stress und gestresstes Gras ist schlecht für Pferde. Deshalb versorgen wir unser Gras mit den nötigen Nährstoffen.

Ebenfalls im Frühjahr entscheiden wir, ob einzelne Wiesen nachgesät werden müssen. Aufgrund von Dirks Ausbildung und Fachwissen können wir unsere Saatmischung selbst zusammenstellen. Es ist faszinierend, an diesem Prozess beteiligt zu sein. Die Gräser und Kräuter nach ihren Eigenschaften auszuwählen, später die Säcke mit dem wertvollen Saatgut zu sehen, es mit den Händen zu befühlen. Dieses Jahr stehen Pflanzen, die mit Trockenheit gut zurecht kommen, im Vordrgrund.
Im April gibt es den berühmt-berüchtigten „Aktionstag“. An diesem Tag werden gemeinsam mit unseren Einstellern die Zäune kontrolliert, repariert und einzelne Abschnitte komplett erneuert.
Sobald wir das Gefühl haben, dass das Gras gut wächst und die Witterungsbedingungen passen, geben wir ein Stück Wiese zum Anweiden an der Hand frei. Hier können unsere Einsteller beginnen, empfindliche Pferde an das frische Grün zu gewöhnen. Etwa 2 Wochen später geht es dann für alle Pferde auf die Weiden. Hierbei hat sich in den letzten Jahren folgendes Vorgehen bewährt: Am ersten Tag gehen die Pferde am Morgen auf die Winterstücke. Hier fressen sie Heu, damit sie schon mal ordentlich was im Bauch haben und nicht eventuell noch kaltes Gras gierig herunterschlingen. Um 14 Uhr dürfen sie auf die Weide. Welch eine Freude jedes Jahr! Alle Einsteller, die es ermöglichen können, kommen zum Zuschauen, alle Anderen werden über unseren Verteiler mit Videos versorgt. Nach 2 Stunden geht es zurück in den Stall. Dies wiederholen wir 7 Tage lang, wobei es jeden Tag eine halbe Stunde früher auf die Weide geht. Ab dem 8. Tag geht es gleich morgens auf die Weide.

Im Mai und Juni wachsen durch den jahreszeitlichen Wachstumsrythmus mehr Gras und Kräuter, als die Pferde fressen können. Lässt man diese für später im Jahr stehen, so verholzen die Stengel und enthalten nur noch wenige wichtige Nährstoffe, dafür aber viel unverdauliches Lignin. Neues Gras kann mangels Licht nicht nachwachsen, das hohe überständige Gras beginnt unten zu verfaulen. Lässt man hier Pferde weiden, so finden sie trotz der Fülle wenig fressbares, zertreten den hohen Bewuchs und es wird schwer, die Fläche wieder in Ordnung zu bringen. (Quelle: Jutta von Grone, „Die Pferdeweide“) Deshalb machen wir im Juni auf einem Teil unserer Flächen Heu. Später im Jahr kann die Heuwiese dann ebenfalls beweidet werden.

Während der Weidesaison füllen wir täglich die Wasserbottiche auf und kontrollieren die Zäune. Wechseln die Pferde auf das nächste Stück, so wird die alte Weide abgezogen, um die Pferdeäpfel zu verteilen und „Geilstellen“ zu vermeiden (Abäppeln wäre natürlich besser, aber das bekommen wir zeitlich nicht hin). Ich habe immer ein Lächeln im Gesicht, wenn mein Mann mit unserem Dexta, den wir zum Abziehen nutzen, um die Ecke kommt. Irgendwie erinnern mich die Beiden and die Kinderserie „Kleiner roter Traktor“.

Unerwünschter Bewuchs wird entweder regelmäßig gemulcht (z.B. Brennnesseln) oder von Hand entfernt (z.B. Ampfer). Der Mulcher ist ein beweglicher Mäharm, der hinten an den Traktor gehängt wird. Dieser schneidet und zerkleinert das Schnittgut. Brennnesseln wachsen weniger nach, wenn sie regelmäßig geschnitten werden und auch andere Pflanzen, die die Pferde nicht fressen, vermehren sich durch regelmäßiges Schneiden weniger. Da Ampfer schnell viele Samen bildet, entfernen wir ihn vorsichtig von Hand, damit wir beim Abziehen oder Mulchen nicht noch unfreiwillig die Samen großflächig verteilen. Wenn wir Glück haben, muss sich gerade ein junger Mensch sein Taschengeld aufbessern, aber besonders beliebt ist das Ampfer schneiden nicht, so dass wir es doch meist selbst machen müssen.

Natürlich klappt das alles nicht immer so reibungslos, wie es hier klingt. Stehen Mann und Traktor nach kurzer Zeit auf der Weide wieder vor der Werkstatt und ein deftiges „Sch***“ schallt über den Hof, dann ist mal wieder irgendwo eine Schraube ab gegangen, eine Feder raus gesprungen oder ähnliches. Glücklicherweise lässt sich das Meiste reparieren.
Der wunderschöne Baumbestand an und in unseren Weiden führt im Spätsommer zu einigen Arbeitseinsätzen. Z. B. wenn in einen sehr heißen Sommer mit sehr wenig Gras ein sogenanntes „Eichelmastjahr“ fällt. Das bedingt sich mitunter sogar gegenseitig. Die Eiche denkt sich: „Verdammt wenig Wasser dieses Jahr, ich könnte sterben, also sorge ich mal für ganz viel Nachwuchs, sprich Eicheln“. Eicheln sind nicht per se giftig für Pferde, wie so häufig macht auch hier die Dosis das Gift. D. h. ein paar sind nicht schlimm, große Mengen aber schädlich. Und wenn nur wenig Gras da ist, nimmt Pony gerne die reichlich vorhandenen Eicheln. Das sorgt dann bei uns für einigen Aktionismus. In den letzten drei Jahren haben wir mit dem Rechen Berge von Eicheln zusammengerecht und wo das nicht mehr zu bewältigen war, Zäune gespannt. Ich sag euch, ich habe nachts von Eicheln geträumt und das war nicht schön…
Auch die Apfelbäume haben einiges an üppiger Frucht fallen lassen. Aber aus den Äpfeln kann man wenigstens noch Apfelkuchen machen. Und Apfel-Crumble. Und Apfelmus. Und Apfelsaft. Das entschädigt dann schon…

Oft können unsere Pferde bis in den Dezember hinein den Weidegang genießen. Wenn es zu matschig wird oder das Gras zu kurz, stellen wir um auf die Winterstücke.
Darauf folgt die Ruhephase: der Januar ist der einzige Monate, wo wirklich mal garnix auf unseren Weiden passiert. Wir erholen uns von den Weihnachtsvorbereitungen und die einzigen, die sich gelegentlich blicken lassen, sind die Wildschweine, die durch eifriges Graben dafür sorgen, dass uns im Februar gewiss nicht langweilig wird…
Ich hoffe, euch hat die kleine Reise durch unser Weidejahr gefallen und es hat ein wenig Bewusstsein dafür geweckt, was an Wissen und Arbeit in einer simplen Wiese steckt.
Quellen:
Online-Themenabend „Die Speisekarte der Pferde“ von Marc Lubetzki, 20.8.2020
Jutta von Grone, „Die Pferdeweide – Ökologie, Nutzung und Pflege, Kompostwirtschaft“, Müller Rüschlikon Verlag, S.55, „Grasberg“