Die Sache mit dem Vertrauen

Mein Pferd kann mir vertrauen, da bin ich ganz sicher. Habe ich nicht in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass ich vertrauenswürdig bin? Täglich bekommt sie pünktlich ihr Futter, ich bemühe mich um für sie verständliche Kommunikation, höre ihr zu, zeige ihr, wenn ich sie verstanden habe. Achte auf tausend Kleinigkeiten, um ihr ein verlässlicher Partner zu sein.
Dennoch kommt es vor, dass sie mir in fremdem Gelände nur zögerlich folgt. Dann bleibt sie stehen, guckt, gruselt sich, kommt zwei Schritte mit, guckt wieder… Insgeheim ärgere ich mich dann ein klein wenig darüber, auch wenn ich in der Situation selbst geduldig bleibe und ihr helfe, ihre Skepsis zu überwinden.

Wir alle wünschen uns, dass unser Pferd uns vertraut und geben unser Bestes dafür. Trotzdem konnte ich neulich eine gute Lektion in Sachen Vertrauen lernen: Tammi und ich waren ausreiten und wie das bei uns  üblich ist, macht Tammi Vorschläge zu Tempo und Richtung, die ich, wenn es passt, auch gerne annehme. Tammi war an dem Tag unternehmungslustig und gut drauf und hat einen etwas unwegsamen Weg vorgeschlagen, den wir auch geritten sind. Dabei kamen wir in für mich unbekanntes Gelände und plötzlich war es weg, mein Vertrauen. Ich wußte nicht mehr, wo ich bin und welche „Gefahren“ der Weg möglicherweise birgt. Ich wurde unsicher, zögerlich, bin stehen geblieben, hab geguckt, auf den Weg, auf die Navi-App,…

Tammi hingegen war ganz sicher, wo sie hin will und wie schnell sie gehen möchte. Geduldig, beharrlich und ruhig hat sie mich mitgenommen auf „ihren“ Weg. Letztendlich bin ich ihr gefolgt, teils reitend oder, an steilen Stellen, auch laufend. Für mich war es ein Wechselbad der Gefühle: ich hatte Angst, den Heimweg nicht zu finden (trotz Navi-App und vollem Akku), ich hatte Angst, wir könnten uns verletzen, ich war unsicher, wie ich mich verhalten soll. Ich habe mich gleichzeitig gefreut über ihre Motivation und Eigeninitiative. Und ein bisschen habe ich mich über mich selbst geärgert, weil ich gespürt habe, dass ich ihr gerade das Vertrauen verweigere, das ich von ihr erwarte.

In dieser Situation habe ich gemerkt, was wir eigentlich von unseren Pferden verlangen! Sie wissen auch nicht, wo der Weg (der Hänger, das Training) hinführt, wie lange es dauert und welche Gefahren es vielleicht birgt, ob und wann es wieder nach Hause geht.

Und hat Tammi mir nicht auch bereits hinlänglich bewiesen, dass sie vertrauenswürdig ist? Sie hat mich schon tausende von Kilometern getragen, ohne mich je wirklich in Schwierigkeiten zu bringen. Sie hat mir in vielen gemeinsam Stunden bewiesen, dass sie auch auf mich aufpasst.

Meine Überwindung und die Entscheidung, ihr letztendlich zu vertrauen, wurde reich belohnt! Wir kamen nach ein wenig klettern und ein paar Wegkreuzungen an eine uns bekannte lange Galoppstrecke. Dort ist sie locker-fröhlich angaloppiert, ein Hase kam aus dem Gebüsch gehoppelt und ist eine ganze Weile vor uns her gesprungen (das klingt kitschig, aber es war wirklich so), keine Menschenseele weit und breit. Ich kam mir vor wie im Märchen… Und nachdem sie genug vom Galoppieren hatte, hat Tammi beschlossen, ein kleines Picknick zu machen. Wie berauscht habe ich sie grasen lassen, selbst einen Müsliriegel geknabbert und konnte mein Glück kaum fassen.

So ist das manchmal mit dem Vertrauen: von den Andern hätten wir es gerne, aber selber Vertrauen schenken, das ist schwer!

Holleuffers Gebisstechnik

Am Wochenende habe ich den Lehrgang „Gebisstechnik“ von Karl-Friedrich Holleuffer und seiner Frau Inge von Holleuffer besucht und es gab ein paar Aha-Momente und auch spannendes, das sich zu merken lohnt.

Zunächst hat mich sehr überrascht, dass auch bei der Wassertrense Druck im Genick entsteht, wenn man am Zügel zieht. Physikalisch erklären kann ich das nicht, habe es aber am Modell selbst deutlich gespürt.

In weiteren Fühl-Experimenten sind wir davon ausgegangen, dass unsere Handfläche ähnlich fühlt, wie beim Pferd Zunge und Laden. Auch die Breite ist in etwa vergleichbar. So haben wir mit unterschiedlichen Gebissen identischen Zug auf unsere flache Handfläche gebracht. Deutlich am unangenehmsten war dabei das doppelt gebrochene Gebiss!

Ebenfalls überrascht hat mich, dass Mischmetalle wie z. B. Aurigan im Verdacht stehen, die Selbstheilungsprozesse im Zahn des Pferdes zu behindern und es Vermutungen gibt, dass auch Probleme im Dünndarm von diesen Mischmetallen kommen können.

Werden an einem Gebissstück Edelmetalle und Nicht-Edelmetalle kombiniert, entsteht ein Elektronenfluss, was dem Pferd unangenehm sein kann.

So macht schon das Material einen großen Unterschied. Die Auswahl an Formen ist schier unendlich und schon kleine Veränderungen verändern die Wirkung. Z. B. übt das Baucher-Gebiss mit seinem kleinen Oberbaum nahezu keinen Druck auf das Genick aus.

Auch das Pferdemaul verändert sich, so stehen beim jungen Pferd die Schneidezähne steiler, zwischen Ober- und Unterkiefer ist mehr Platz. Im laufe des Lebens stehen die Zähne immer weiter vor, es bleibt weniger Platz für das Gebissstück.
Haltung und Fütterung beeinflussen die Zunge: viel Rauhfutter kräftigt die Zunge, da sie ein Muskel ist, wird sie dadurch dicker und kann das Gebiss besser abpolstern, es kommt weniger Druck auf die Laden.
Kein Pferdekopf ist exakt symmetrisch und es gibt Wassertrensen, deren zwei Teile nicht nur unterschiedlich lang, sondern auch unterschiedlich dick sind. Man muss sie dann nur seinem Pferd „richtigrum“ ins Maul legen. Herr von Holleuffer empfiehlt, die Chance zu nutzen, wenn der Pferdezahnarzt das Pferd sedieren muss, sich das Maul seines Pferdes mal von innen zeigen zu lassen. Ggf. kann man sogar verschiedene Gebisse rein legen und schauen, ob sie gut im Maul liegen.

Schön bebildert hat Herr Holleuffer die Muskelkette von der Zunge zum Kreuzdarmbein gezeigt. Verspannungen in der Zunge führen zu Taktfehlern in der Hinterhand.

Jetzt geht‘s weg vom eigentlichen Gebissstück und hin zum Reithalfter und hier gab es eine echte Überraschung für mich: der Nasenriemen (nicht das Sperrhalfter!), in meiner Gedankenwelt gaaaanz böse, ist gar nicht so böse. Richtig verschnallt verteilt der Nasenriemen den Druck am Kopf und stabilisiert den Unterkiefer. Der Unterkiefer und die Kaumuskulatur müssen ohne Nasenriemen allein gegen das Gebiss „gegenhalten“. D.h. wenn ich in der Grundausbildung mit leichter Anlehnung reite, kommt dieser Zug allein beim Unterkiefer an, ich stelle mir das recht anstrengend vor. Mit Nasenriemen kann das Pferd den Kiefer leicht öffnen und die Zügelkräfte verteilen sich am Kopf.
Mit dem Nasenriemen lässt sich sogar die Kopfhaltung beeinflussen! Ist er unterschiedlich breit, verteilt sich auch der Druck unterschiedlich. Ein Nasenriemen, der auf dem Nasenrücken schmal ist und am Unterkiefer breit und weich gepolstert, gibt mehr Druck auf den Nasenrücken und zäumt bei. Umgekehrt (hinten schmal und vorne weich und breit) ist er für Pferde geeignet, die zum einrollen neigen.

Wie stark der Unterkiefer das gesamte Gleichgewicht beeinflusst, haben wir wieder im Selbstversuch ergründet: entspannt hinstellen, Augen schließen und dann Unterkiefer vor, zur Seite, nach hinten schieben. Der ganze Körper folgt dieser kleinen Bewegung. Spannend.

Dem Gipfel der Tierquälerei, dem Hannoveranischen Reithalfter, kann Herr Holleuffer einige gute Eigenschaften nachweisen: richtig verschnallt (!) und überall gleich breit ist es sehr angenehm für das Pferd. Der Druck wird ohne Hebel gleichmäßig verteilt und bei jungen Pferden kommt es nicht an evtl. neu wachsende und schmerzende Backenzähne. Zum Glück ist meine Maus schon 10 Jahre alt und die Backenzähne alle da. Ich weiß nicht, ob ich mich mit einem Hannoveranischen anfreunden könnte…

Auch eine nette Anregung: Kopfstück und Gebiss immer mal wechseln, wir tragen ja auch nicht jeden Tag die gleichen Schuhe.

Interessante Randnotizen: Beim Reiten produziert und schluckt das Pferd weniger Speichel als beim Fressen (irgendwie logisch). Das führt dazu, dass beim Reiten die Magensäure steigt. Eine Pause mit grasen spätestens alle 2 Stunden fördert also nicht nur die Motivation vom Pony ungemein, sondern ist auch noch gesund 🙂

In diesem Sinne mache ich jetzt auch eine Pause (aber nicht mit grasen, sondern mit schlafen). Wenn es mich noch mal packt, liefere ich die restlichen spannenden Fakten aus meinem Kurstag nach…